Das rote Ding
Rezensiert von Tina Troll - erschienen im Fachjournal 4/2020
Und was siehst du? Ein Autor mit einem Pantomime-Studium und eine Illustratorin aus dem Bereich der visuellen Kommunikation entwerfen im Rahmen des Troisdorfer Bilderbuchstipendiums ein Gedankenexperiment – rund um ein Mädchen, das ein rotes Etwas in einem Fluss entdeckt. In gereimten Vierzeilern spekulieren die Menschen, worum es sich handeln könnte. Gleich einer gemeinsamen Scharade beteiligen sich Blumenhändler, Straßenmusiker und Eisverkäufer an haarsträubenden Erklärungsversuchen; wer gerade spricht, lässt sich an der roten Farbakzentuierung erkennen. Die wahre Bühne bleibt jedoch unter der Wasseroberfläche; dort, wo der Fantasie ihrer Mutmaßungen freien Lauf gelassen wird und das rote Ding in den Köpfen der Ratenden einen Körper erhält. Text und Illustration verschränken sich: Während Heike Herold all die Spekulationen unter Wasser verbildlicht, muss Ebi Naumanns Reim von Lesenden selbst ergänzt werden. „Ignoramus et ignorabimus“ steht auf dem Sockel einer Statue, die gleich zweimal im Buch zu sehen ist: Unserem Wissen sind Grenzen gesetzt – das Übertreten dieser Grenzen wird zelebriert; wenn etwa eine Musikparade, ein Ufo oder ein Rieseneis als Teil des roten Dings durch den Fluss watet/gleitet/dümpelt. Vorsicht: Die Auflösung erfolgt anders als erhofft und das Farben- und Formenspiel endet mit einem Cliffhanger. Vom Hinsehen und Anderssehen – eine Empfehlung!
Das rote Ding
Bilderbuch
Ebi Naumann
Illustriert von Heike Herold
Aladin Verlag;Hamburg 2019
32 Seiten, 23 x 30 cm
ISBN 978-3-8489-0158-6
€ 15,50 inkl. 10 % Ust