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... eine Weltenreise: vom Rucksack zum Ritterhelm

Wenn ein Bilderbuch nicht nur eine Gruppe, sondern ein ganzes Haus für sich vereinnahmt, dann muss es sich um ein besonderes Bilderbuch handeln. Aber beginnen wir von vorne.

Jedes Jahr erhalten wir die Gelegenheit, am Projekt „Bilderbuchrucksack“ der Linzer Bilderbuch-Kindergärten teilzunehmen. Aus einer zwölfteiligen Auswahl, bereits zum 10. Mal zusammengestellt vom Institut für Jugendliteratur, werden die Bücher in der ersten Phase gelesen bzw. vorgestellt; in der zweiten Phase entscheiden sich die Kinder für eines der Bücher; in der dritten Phase sammeln wir mit ihnen Ideen zum Buch und erarbeiten deren Umsetzung für Phase 4: die Präsentation der kreativen Einfälle im öffentlichen Raum. Durch Corona hat sich die Möglichkeit der öffentlichen Beteiligung stark eingeschränkt, dennoch wollten wir heuer versuchen, uns ein sicheres Fenster für ein Stück Teilhabe von außen zurückzuerobern: eine Gartenprojektwoche mit offiziell erwünschten Zaungästen.

Nachdem bei den Kindern in einem vorangegangenen Projektjahr Leo Timmers’ „Gust der Mechaniker – Recycling in der Werkstatt“ hoch im Kurs stand und nur knapp den Sieg verfehlte, entschieden sie sich in diesem Jahr für Timmers’ Bilderbuch „Wo steckt der Drache?“: In humorvollen Reimen erzählt der Autor von einem König, einem Drachen und drei Rittern, die den Auftrag erhalten, die Bestie zu erlegen und somit die Schlafprobleme des Königs zu beheben. Ihre Reise durch den finsteren Wald wird begleitet von den großen Reden der vermeintlichen Drachentöter und dem kleinen Licht einer Kerze, in der Hand dessen, der an ihrer Spitze geht. Durch das schwache Licht stoßen sie immer wieder auf Schattenwesen, hinter denen sie den Drachen vermuten; doch hinter den Schatten verbirgt sich nur eine absurd komische Ansammlung an u. a. gewöhnlichen Waldtieren. Als sie tatsächlich auf den Drachen treffen, verlässt sie der Mut und letztlich ist es die Bestie, die selig im Königsbett schläft.

Das Vorlesen erfolgte möglichst neutral, um die Auswahl nicht durch unsere jeweilige Vermittlung zu beeinflussen. Neben dem Drachen selbst hat die Kinder vor allem die nächtliche Stimmung beeindruckt, der Rätselcharakter der Schattenfiguren mitgerissen und die Widersprüchlichkeit zwischen der Aufschneiderei und der ängstlichen Flucht der Ritter amüsiert. Beim Brainstorming nach dem Vorlesen sprachen sich die Kinder für Wünsche aus, die in so viele verschiedene Richtungen verliefen, dass wir uns dafür entschieden, unser Lernwerkstättensystem als Grundgerüst zu verwenden: vier Gruppen mit unterschiedlichen Schwerpunkten in kreativem Gestalten, Sprache/Buch, Musik/Bewegung und Mathematik/Forschung.

Vor und während der Gartenprojektwoche standen Basteltische bereit, an denen wir uns festliche Drachendekorationen oder Basteleien zum Mit-nach-Hause-Nehmen erarbeiteten. Den Wunsch nach Figuren, die sich bespielen lassen, setzten wir zum einen in selbstgestalteten Brettspielen um, zum anderen in einem Rollenspiel mit Tiermasken, Königsrobe, Ritterrüstung, Drachenkostüm und Kasperlfiguren, eingenäht in Ritterkleidung. Unsere Expertin für Experimente bereitete eine kleine Versuchsreihe vor – mit einem Pappmaché-Drachenkopf, der Feuer spuckt, und drachenstarken Flugobjekten. Die Musikgruppe griff zu den Orffinstrumenten für ein schaurig schönes Lied, passend zur finsteren Waldstimmung, und inszenierte einen Kreistanz mit Drachenmasken zum krönenden Abschluss der Projektwoche. Der Wunsch nach Bewegung erfüllte sich im Garten bei Ritterturnieren auf Steckenpferden und Drachenfeuerspielen (Wurfspiele mit Feuerring) in der Sandkiste.

Es war uns ein Fest und ein Anstoß zu weiteren literarischen Zeitreisen!

 

Web-Links:

Aracari Verlag I Wo steckt der Drache?

Bilderbuchrucksack (jugendliteratur.at)

Wo steckt der Drache?
Bilderbuch

Leo Timmers

Aus dem Niederländischen von Eva Schweikart

Illustriert vom Autor

Aracari Verlag, Zürich 2021

40 Seiten, 28 x 21 cm

ISBN 978-3-907114-13-1

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Tina Troll, MA, Elementarpädagogin in Linz und freie Mitarbeiterin im Verlag UNSERE KINDER. Nach ihrer Ausbildung zur Pädagogin und einigen Jahren im Beruf entschied sie sich für die persönliche Weiterbildung in einem Germanistikstudium an der Paris Lodron-Universität in Salzburg.

"Meine Beziehung zum Buch definiert sich durch die berufliche Vorlese- und Vermittlungstätigkeit, durch mein Studium, durch die Auseinandersetzungen mit frühen literarischen Begegnungen im Kindesalter und natürlich durch meine persönlichen Leseerfahrungen." - Tina Troll -