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"Waldwoche im Frühling"

Kindergarten/Krippe Lichendorf, Murfeld, Steiermark

Schon seit zehn Jahren zieht es Veronica Tuchscherer mit „ihren“ Kindern im Frühling hinaus in den Wald. Die Waldwoche der Sonnengruppe des Kindergartens Lichendorf in Murfeld hat sich bewährt. Der Ablauf ist eingespielt und die Infrastruktur gut organisiert. Vom fahrbaren Hochstand bis zur ausgeklügelten Warmwasseraufbewahrungsanlage wird nichts dem Zufall überlassen. So können sich die Kinder aufs Wesentliche konzentrieren: auf die Erfahrungen in und den Umgang mit der Natur. Nebenbei erlernen sie das Prinzip der Sparsamkeit. Veronica Tuchscherer, Kindergartenleiterin und gruppenführende Pädagogin, berichtet:

„Draußen sein“ ist, selbst in einer ländlichen Region wie unserer, nicht mehr selbstverständlich. Zum 10. Mal fand im Frühling 2018 unsere bewährte und im Ort allseits bekannte „Waldwoche“ statt. Diese kann nur durch gute Organisation und Kooperation aller Beteiligten gelingen. Dazu gehören der Erhalter, die Waldbesitzer, der örtliche Jagdverein und das Busunternehmen. Der Jagdverein etwa unterstützt uns, indem wir seinen fahrbaren Hochsitz als Leihgabe für das kleine „Notlager“ verwenden dürfen. Eine Jagdhütte dient uns als großes „Notlager“, in der wir bei Regen unsere Jause einnehmen können. Der fahrbare Hochsitz parkt im Vorfeld auf dem Kindergartenparkplatz und wird als Vorbereitung auf unsere Waldwoche gemeinsam mit den Kindern beladen.

In einem Sprichwort heißt es „Ordnung ist das halbe Leben“. Deshalb bekommt jedes Kind eine Plastikbox für seine Reservekleidung (natürlich beschriftet und sortiert), diese wird im fahrbaren Hochsitz verstaut. So kann sich das Kind im Wald umziehen, sollte es nass oder ihm kalt werden. Weiters kommen allerlei Utensilien mit in den Wald: Spaten, Schaufel, WC-Papier, Müllsäcke, Gitarre, Messer, Mineralwasserkiste, Lupen, Lupenbecher, Sachbücher, Erste Hilfe-Koffer, etc. Die Kinder sind beim Planen und Packen eifrig bei der Sache und machen dabei eine wertvolle Erfahrung: Wir haben das dabei, was wir jetzt bedenken und einpacken. Sollten wir im Wald bemerken, dass etwas fehlt, so können wir das frühestens am nächsten Tag organisieren. Somit steigen die Freude und die Begeisterung sowie das Engagement.

An meiner Kollegin und mir liegt es, alles in den Wald zu schaffen und den Wetterbericht zu verfolgen. Aber, es gibt ja bekanntlich kein schlechtes Wetter, sondern nur schlechte Kleidung. Deshalb starten wir bei jedem Wetter, nur bei Sturm und Gewitter wäre es zu gefährlich.

Jedes Projekt braucht klare Strukturen und Regeln, damit dieses auch gut funktionieren kann. Für die Waldwoche werden unsere Kinder täglich zwischen 7:00 und 8:00 Uhr beim Treffpunkt, dem Waldeingang, abgegeben. Natürlich dem Wetter entsprechend und mit ausreichend Proviant (Ersatzschuhe bzw. Stiefel, Jause, Getränke,..). Sobald alle Kinder da sind, jedoch spätestens um 8:00 Uhr, startet die Erlebniswoche.

Es geht hinaus auf Felder, Wiesen, in Wälder und zur Mur. Der erste Tag der Waldwoche ist dem Erkunden, Abstecken der Grenzen und dem Lager-Bau gewidmet. So wird eine Latrine mit Sichtschutz aus Leintüchern gebaut und ein Platz für die Garderobe geschaffen. Täglich bringen wir warmes Wasser in einem 25 Liter-Thermotank in den Wald, damit wir uns die Hände waschen können. Wenn Wasser nicht en masse zur Verfügung steht, wie hier im Wald, lernen die Kinder schnell den sparsamen Umgang mit dieser wichtigen Ressource. So werden täglich nur etwa vier Liter Wasser verbraucht – ein Wert, der im Waschraum einer Einrichtung undenkbar wäre. Die Kinder tragen dieses Bewusstsein aber mit hinaus aus dem Wald, nach Hause oder in den Kindergarten. Selbst wenn die Waldwoche längst vorbei ist, weisen sie in der Einrichtung oft darauf hin, doch den Wasserhahn nicht unnötig laufen zu lassen.

Die Waldwoche bietet aber auch viele andere wertvolle Erfahrungen. Wir überqueren den Mühlbach, lauschen den Tiergeräuschen, lesen Spuren, beobachten Schnecken, die sich in ihrem Haus verstecken, entdecken ungeahnte Schmetterlingsarten und Kriechtiere, erfinden Stockspiele und keschern Kleintiere aus der Furte (ein kleiner Bach, den man mit Gummistiefeln durchqueren kann). Ein besonderes Merkmal unserer Waldwoche ist noch die zeitliche Gestaltung, denn sie erstreckt sich immer übers Wochenende. Erstens ist die Zeit im Wald für die Kinder anstrengend – da kommt die Wochenendpause oft recht gelegen. Zweitens wollen wir Eltern damit motivieren, das Wochenende zu nutzen, und mit ihren Kindern auf eigene Faust das Areal zu erkunden. Das Lager bleibt ja aufgebaut. Die Kinder lieben es, wenn sie „ReiseführerIn“ spielen und ihren Eltern alles zeigen können.

Nach dem Motto „Wir sind die Gäste des Waldes. So wie wir den Wald vorfinden, so verlassen wir ihn auch“ wollen wir den Kindern den respektvollen Umgang mit unserer Umwelt lehren. Natürlich gehört viel Spontanität dazu, denn es lässt sich nicht planen, dass ein Reh vorbei läuft oder wir ein Vogelnest entdecken. Aber man muss auch gut vorbereitet sein. Und das Wichtigste: Wir, meine Kollegin Petra Zöhrer und ich, müssen den Kindern vertrauen können. In keiner anderen Woche im Kindergartenjahr sind die Gruppendynamik und das gemeinsame Tun so wichtig wie in unserer Waldwoche. Aus der Zeit im Wald gehen wir als gestärkte und veränderte Gruppe heraus. So erleben wir jeden Tag als zu kurz, sodass wir uns Jahr für Jahr aufs Neue riesig auf unsere Woche im Wald freuen.

 

Text: Veronica Tuchscherer, Fotos: Kindergarten Lichendorf