Ausgabe 3/2023
Entwicklung setzt Beziehung voraus
Begrüßen, beobachten, wickeln, trösten, abwarten, ermutigen, unterstützen, sich zuwenden, zuhören, mitspielen, Spiele initiieren, Konflikte begleiten … Immer geht es dabei um den Aufbau und die Pflege vertrauensvoller Beziehungen, die für Kinder das Fundament bilden, auf dem alles Lernen aufbauen kann. Beziehungen sind die entwicklungspsychologisch notwendige Grundlage für das Wohlbefinden der Kinder, für ihr Spiel und ihre Exploration. Beziehungsqualität entscheidet auch darüber, wie Kindern mit herausforderndem Verhalten begegnet wird und ist daher kein pädagogisches Thema unter vielen, sondern bildet den Kern der Erziehung.
Mit Kindern Beziehungen einzugehen, bedeutet zunächst, sich für sie und ihre Anliegen zu interessieren. Aus diesem Wissen heraus stellten sich der Redaktion für das aktuelle Fachjournal viele Fragen: Wie können wir tragfähige Beziehungen von Anfang an gestalten und wie unterstützen uns dabei forschungsbasierte Eingewöhnungsmodelle? Weshalb ist es notwendig, sich mit seinen eigenen Beziehungserfahrungen auseinanderzusetzen, um stärkende Beziehungen zu Kindern aufzubauen? Welche Rolle spielt eine beziehungsorientierte und dialogische Haltung in der Begleitung von Kindern zu selbstbewussten und unverbogenen Persönlichkeiten?
Die Bindungstheorie des britischen Psychoanalytikers John Bowlby (1907–1990) verstärkte die Aufmerksamkeit der Kleinkindpädagogik für die Beziehungsgestaltung wesentlich. Zugleich aber zementierte Bowlby das konservative Mutterbild, da er die mütterliche Verantwortung für das Wohlergehen des Kindes so stark betonte. Dies erschwerte nicht nur die Entwicklung eines eigenständigen Fürsorgeverhaltens der Väter, sondern festigte auch die Skepsis gegenüber der außerfamiliären Fremdbetreuung. Internationale kulturbezogene Forschungsbefunde hingegen zeigen, dass Kinder sehr wohl zu verschiedenen Personen, auch außerhalb der Familie, bindungsähnliche Beziehungen entwickeln. Die grundlegende Bindungsfähigkeit von Kindern ist eine wichtige Ressource zur Teilhabe an der sozialen Umwelt.
Damit Kinder Vertrauen in sich und die Welt entwickeln, ist nicht nur die Qualität der Eltern-Kind-Bindung ausschlaggebend, sondern die Qualität aller ihrer Beziehungen. Elementarpädagogische Einrichtungen können also stärkende Beziehungsorte für Kinder und Familien sein – die vorliegende Ausgabe hält dafür viele selbstkritische Denkanstöße und Praxisimpulse bereit.
Anna Kapfer-Weixlbaumer
Fachredaktion
Inhaltsverzeichnis
der Ausgabe 3/2023
Unser Thema
Damit der Start gelingt - Eine Annäherung an bekannte Eingewöhnungsmodelle
4
Eingewöhnung sollte alle umfassen - Das partizipatorische Modell
9
Von Erziehung zu Beziehung - Beziehungskompetenz als Säule elementarer Pädagogik
12
Unsere Praxis
Beziehungserfahrungen reflektieren - Frühe Bindungsmuster prägen
14
Mein Blickwinkel - Kolumne
18
Ein sicherer Hafen in stürmischen Zeiten - Verhaltensauffälligkeiten durch Bindung und Beziehung begleiten
19
Mehr Dialog, weniger Manipulation - Beziehungsorientierung stärkt das natürliche Selbstbewusstsein
22
Unsere Lebenswelt
Mutter sein - zwischen Bindungstheorie und Emanzipation
25
Unser Porträt
Kathrin Wexberg - Wiener Publizistin, Autorin
26
Service
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