Ausgabe 3/2024
An der Seite der Kinder
Erwachsene haben es leicht, ihren Unmut oder ihr Bedürfnis auszudrücken. Wir haben die Macht, unsere Wünsche oder Ablehnungen mit Nachdruck einzufordern und Konsequenzen in den Raum zu stellen. Kinder sitzen am kürzeren Ast. Wie würden wir reagieren, wenn jemand nach einem Sturz zu uns sagen würde: „Das hat sicher nicht weh getan, hör jetzt auf zu weinen!“
Pädagogische Fachkräfte tragen die Verantwortung für die besonders verletzliche Personengruppe der Kinder. Es ist unsere Aufgabe, uns für sie stark zu machen, wir sind die AnwältInnen/Anwälte der Kinder und können in einer von Erwachsenen geprägten Gesellschaft für ihre Rechte aufstehen bzw. diese für alle Menschen sichtbar machen. Aus diesem Grund ist viel Wissen über die kindliche Entwicklung, über natürliche Bedürfnisse und über die Erarbeitung von Kinderschutzkonzepten nötig. Die vorliegende UNSERE KINDER-Ausgabe ist dazu eine reichhaltige Fundgrube.
Bei der Umsetzung von Kinderrechten ist in Österreich noch einiges zu tun. Denn vom Beitritt im Jahr 1992 bis 2011 war die UN-Kinderrechtskonvention ein einfaches Bundesgesetz und konnte nicht eingeklagt werden. Erst wenn ein Gesetz in der Verfassung verankert ist, hält es auch vor Gericht und Behörden. Vor 13 Jahren ist ein Teil der Konvention auf Verfassungsebene gehoben worden – nämlich der allgemeine Anspruch auf Schutz und Fürsorge, Kindeswohl und Partizipation, das Verbot von Kinderarbeit und Gewalt und ein Diskriminierungsverbot von Kindern mit Behinderung. Alle anderen Rechte haben wir nur auf Papier, ohne Konsequenzen. Mit einer bundesweiten Kinderschutz-Kampagne will das offizielle Österreich aktuell sensibilisieren, Anzeichen von Gewalt gegen Kinder zu erkennen und darauf zu reagieren.
Mit Fachwissen um Formen von Gewalt und die Rechte von Kindern allein ist es nicht getan. Es spielt eine große Rolle, wie mit uns als Kind umgegangen worden ist. Die eigene Biografie ist immer dabei. Welche Regeln haben am Familientisch gegolten? Wie war meine Essensbegleitung als Kind? Manche Fachkräfte glauben nach wie vor, dass ein verpflichtender „Probierlöffel“ vielfältiges Essverhalten fördert. Sich reflexiv mit der eigenen Kindheit und Erziehung zu beschäftigen, macht den Unterschied. Coaching, Supervision oder (Inhouse-) Fortbildungen ermöglichen eine tiefere Auseinandersetzung, die beim Thema Gewalt dringend notwendig ist. Zur Prävention von verletzendem Verhalten braucht es sicher gute Rahmenbedingungen, beispielsweise ausreichend Personal und kleinere Gruppen. Aber Struktur alleine ändert noch nichts. Der größte Kinderschutz sind Teams, die gut funktionieren und miteinander kommunizieren. Sensible Erwachsene, die Situationen ansprechen können, in denen Grenzen überschritten wurden, bleiben auch handlungsfähig. Nur wenn es Zusammenhalt und Offenheit im Team gibt, können elementarpädagogische Einrichtungen sicherer Orte für alle Beteiligten werden.
Alles Gute beim unermüdlichen Einsatz für die uns anvertrauten Kinder!
Eva Berger
Fachredaktion
Inhaltsverzeichnis
der Ausgabe 3/2024
Unser Thema
Hier fühl ich mich sicher!> - Kinderschutz - ein Menschheitsthema
4
Vom Bauchgefühl zur Handlungssicherheit - Ein Leitfaden bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung
9
Kinderschutz aus Trägersicht -
10
Unsere Praxis
Schutz vor sexueller Gewalt - Kinder haben ein Recht auf sexuelle Unversehrtheit
16
Maus, Schatzi, Hasi ... - Seelische Gewalt beginnt bei Kosenamen
21
Was Macht macht - (Un)bewusste Machtverhältnisse in der Elementarpädagogik
22
Kinderschutz per Gesetz - Auf dem langen Weg zu gelebten Kinderrechten
24
Junge Pädagogin am Wort - Kolumne
33
Menschen im Porträt
Manuela Erber-Telemaque - Elementarpädagogin und Gründerin von "Zukunft für Tshumbe"
26
Service
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