Ausgabe 3/2025
Kein Leben ohne Sprache & Schrift
Vielleicht kennen Sie die Geschichte von Kaiser Friedrich II., die wohl erfunden ist: Vor Jahrhunderten wollte er die Ursprache der Menschheit herausfinden und ließ deshalb 50 Neugeborene ihren Müttern wegnehmen. Er übergab sie an Pflegerinnen, die den Säuglingen alles zum Essen, Trinken und Anziehen geben sollten, aber nicht mit ihnen sprechen oder spielen durften. Er wollte sehen, ob Kinder überhaupt sprechen lernen, wenn ihnen niemand vorspricht. Die Babys verkümmerten, keines soll überlebt haben.
Auch wenn diese traurige Begebenheit historisch nicht belegt ist, so geht von ihr doch eine wichtige Botschaft aus: Kommunikation ist über-lebenswichtig, niemand kann ohne Kontakt zur Außenwelt und zu anderen groß werden. Die Erfolgsstory der Spezies Mensch hätte ohne die Erfindung von Sprache(n) und später Schrift(en) niemals stattgefunden, denn alles Leben ist Begegnung und Interaktion, selbst Tiere und Pflanzen verständigen sich untereinander.
Wussten Sie, dass es weltweit ca. 7000 Sprachen plus zahlloser Dialekte gibt? Keine einzige davon ist überflüssig oder minderwertig, auch wenn nur einige wenige als Weltsprachen gelten. Gerade Minderheitensprachen haben hohe Bedeutung für das kulturelle Selbstverständnis und die Identitätsbildung. Umso trauriger, dass laut Wikipedia Jahr für Jahr mehrere „Kleinsprachen“ verschwinden, was im Kontext aktueller Migrationsbewegungen besonders jenen zugeflüstert sei, die allein die Sprache des Aufnahmelandes (in unserem Fall deutsch) für wichtig halten. Zugleich besteht kein Zweifel daran, dass es für das gesellschaftliche Zusammenleben neben Gesetzen und Werthaltungen eine gemeinsame Sprachregelung braucht, die für alle Mitglieder verbindlich ist.
Grundlage jeder Kommunikation ist immer die Beheimatung in der Erstsprache, egal welcher. Darauf basiert letztlich auch die Fähigkeit zu schreiben, zu lesen und digital zu agieren. Die Zahlen über Defizite beim Sprachgebrauch und beim sinnerfassenden Lesen sind erschreckend, denn konstruktives Miteinander lebt vom Hören, Reden, Schreiben, Lesen – dies gilt für alle, ob mit oder ohne Migrationshintergrund! Nur wer in der Lage ist, sich auszudrücken und andere zu verstehen, kann sich in unserer komplexen Welt zurechtfinden und zu einer friedlichen Zukunft beitragen. Ohne Sprache keine Bildung, ohne Bildung keine Sprache. Wie wir es auch drehen, der Schlüssel für gelingendes Leben liegt in (früher) Bildung, also bei der Elementarpädagogik. Es ist modern geworden, immer mehr familienunterstützende Aufgaben den Institutionen vor der Schule zuzuweisen: Von Werterziehung, dem Einsatz für gesunden und nachhaltigen Lebensstil über die Sprachkompetenz, die Hinführung zum Schreiben, Lesen und Mediengebrauch bis zum Grundverständnis digitaler und naturwissenschaftlicher Zusammenhänge (MINT) – alles soll der Kindergarten richten ...
Lassen Sie sich trotzdem nicht von Überforderungsgefühlen bedrohen, sondern gehen Sie mit den Kindern Schritt für Schritt, so wie es die Autor*innen dieser Ausgabe ermutigend beschreiben. Dann werden wir sprechend, schreibend, lesend miteinander in gutem Kontakt sein – unsere größte und einzige Chance.

Inhaltsverzeichnis
der Ausgabe 3/2025
Inhaltsverzeichnis
Über Sprache sprechen - Unterwegs zum Leben im Dialog
4
Jedes Wort wirkt - Sind wir uns der Kraft unserer Sprache bewusst?
9
Einander verstehen lernen - Sprache als Schlüssel zur Integration
12
Das Spiel mit der Sprache - Förderung der phonologischen Bewusstheit durch Reim-Bilderbücher
16
Pinnwand - Einfach märchenhaft; Offizielle Leitfäden; Linkshändigkeit
18
Das Projekt Wanderbuch - Initiative zur Leseförderung in der Familie
19
Unsere Kindergartenbibliothek - Ein Ort des Lernens
20
Figuren aus Büchern werden lebendig - Impulse und Projekte zur Leseförderung im Kindergarten und Hort
22
Hör gut zu! - Tonies als neue beliebte Vorleser für Kinder
24
Susanne Straßer - Bilderbuchautorin & Illustratorin im Interview
27
Plattform 30
Bücher ... für Sie ausgewählt 31