Ausgabe 4/2021
Vom Schenken in Zeiten des Zuviels
„Früher gab es zum Geburtstag oder zu Weihnachten selbstgestrickte Pullover und vielleicht ein bisschen Lego, heute gibt es einfach so zwischendurch Tablets oder Smartphones“, so die Aussage einer Kollegin, mit der ich mich kürzlich über die (Un-) Kultur des Schenkens unterhielt. Weitere Kolleginnen erzählten, dass sehr viele Kinder regelrecht mit Geschenken überhäuft werden und gar keine rechte Freude mehr aufbringen können. Im weiteren Gesprächsverlauf stießen wir auf eine schöne Redewendung, die darauf verweist, dass Schenken nicht immer mit Materiellem zu tun haben muss, sondern manchmal ganz leise geschieht. Etwa wenn wir jemandem unser Gehör schenken! Aufmerksamkeit, Beachtung, Freundschaft oder Zeit können Geschenke sein, die von Herzen kommen und Beziehungen vertiefen.
Wie aber verhält es sich mit verschenkten Gegenständen? Was macht eine Sache zum Geschenk? Ergibt sich für die Beschenkten eine Verpflichtung? Wozu überhaupt schenken und welche Geschenke wünschen sich Kinder? Gibt es gute und weniger gute Gründe zu schenken? An welche Geschenke aus der Kindheit erinnere ich mich heute noch gerne?
Im erwähnten Gespräch fiel niemandem spontan ein Geschenk aus der eigenen Kindergartenzeit ein. Sehr wohl aber erinnerten sich manche an schöne Rituale, etwa an magische Momente bei Geburtstagsfeiern (als die „Teesackerl-Rakete“ abhob, der schön geschmückte Sessel, die verzierte Schachtel mit den „Gute- Wünsche-Zetteln“…). Wir fragten uns, woran sich wohl die heute begleiteten und beschenkten Kinder später erinnern werden. Und was möchten wir PädagogInnen, dass die Kinder in Erinnerung bewahren?
In dieser UNSERE KINDER-Ausgabe haben sich AutorInnen dazu Gedanken gemacht. Sie haben sowohl Antworten gefunden als auch neue Fragen aufgeworfen, die zum Weiterdenken einladen. Thematisiert wird auch das Verhalten der Kinder: Sie beschenken zumeist sehr unmittelbar jene Menschen in ihrer Umgebung, die ihnen etwas bedeuten.
Wussten Sie übrigens, dass das Wort „Schenken“ ursprünglich auf das Schräghalten des Kruges („Einschenken“) zurückgeht, also eine Geste der Gastfreundschaft beschrieb? Später bezeichnete man damit das Überreichen von Gaben. Das komplizierte soziale Gebilde des Schenkens stiftet Beziehung und spielt sich zwischen Geben, Nehmen und Erwidern ab.
Es gehört zum Glück fast überall der Vergangenheit an, dass zu den bekannten traditionellen Anlässen mit Kindern schablonenhafte Geschenke für Eltern gebastelt wurden (wenngleich sich dies manche Eltern auch heute noch erwarten…). Die Kunstpädagogin Margret H. Scheurecker rät, Eltern so zu begleiten, dass sie „geschenkbereiter für die Gaben ihrer Kinder“ werden: Ist es nicht ein echtes Geschenk, anhand mitgebrachter Zeichnungen oder Werkarbeiten die Entwicklung und damit die Denk- bzw. Erlebensweise des Kindes mitverfolgen zu dürfen? Auf diese Weise könnten Eltern und Fachkräfte neu erfahren und erleben, dass die Kinder selbst die eigentlichen Gaben sind. Sie machen uns das Leben zum Geschenk! Durch sie wird uns alles neu eröffnet: der Baum, der Vogel, das Mittagessen, das Durch-die-Wiese- Laufen, Lachen und Weinen …
Einen erholsamen Sommer wünscht
Anna Kapfer-Weixlbaumer MA
Fachredaktion
Inhaltsverzeichnis
der Ausgabe 4/2021
Unser Thema
Unser Schenken überdenken - Die meisten Geschenke sind fragwürdige Verführungen
4
Nachgedacht & ausgesprochen - Etwas und noch etwas
9
Von Muttertag bis Weihnachten - Gedanken zur Ethik des Schenkens
10
Nachgedacht & ausgesprochen - Gering- und Wertschätzungen
11
Aus dem Bauch heraus ... - Zählt das Produkt oder der Prozess?
12
Unsere Praxis
Verpflichtung oder Freude am Geben? - Geschenke, die von Herzen kommen und nachhaltig sind
14
Praxissplitter - Südtiroler Nachhaltigkeitsausstellung und Zeitgeschenke
18
Mein größtes Geschenk: Ich bin ganz für euch da! - PädagogInnen sorgen für gute Spiel- und Lernatmosphäre
19
Kreative Kleinigkeiten halten Beziehungen wach - Persönliche Gedanken über persönliche Geschenke im Jahreskreislauf
22
Unsere Lebenswelt
Sprachspielereinen - Spielerische Elemente und spielende Figuren in Kinderbüchern
24
Unser Porträt
Hanifa Wahid - Afghanische Fernseh- und Radiojournalistin, Kindergartenhelferin
26
Service
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