Ausgabe 4/2018
Das merk ich mir! Oder ich google.
Sich etwas zu merken, ist umgangssprachlich oft als Bedrohung gemeint. Ähnlich verhält es sich, wenn jemand bzw. etwas „zum Vergessen“ ist. Diese Redewendungen deuten bereits an, dass es beim Speichern, Abrufen und Löschen von Erfahrungen oder Informationen um viel mehr geht als um biochemische Prozesse im Gehirn. Denn auch im digitalen Zeitalter mit all seinen Entwicklungen rund um künstliche Intelligenz ist der Mensch kein Computer, keine Maschine. Wir lernen voneinander und miteinander, entscheidend bleibt das menschliche Gegenüber.
Medienberichten zufolge nehmen Demenzerkrankungen zu, gleichzeitig verbreitet sich das Ideal permanent verfügbarer Multitasking-Superhirne. Hat das eine mit dem anderen zu tun? Leiden wir an einer kollektiven Überforderung und Informations-Überflutung, während klassische Wege des Gehirntrainings verloren gehen (und damit ist keinesfalls das stupide Auswendiglernen gemeint)?
Statt uns etwas einzuprägen oder kurz nachzudenken, bemühen wir unsere elektronischen Helfer wie Google oder andere Such(t)maschinen. Über den Preis für diese tollen Erfindungen, etwa dass ungenützte Fähigkeiten verkümmern, sollten wir mehr nachdenken.
Von frühester Kindheit an, wollen wir nichts anderes als Erfahrungen sammeln und lernen. Bewegung, Sprache, Zusammenleben – alles ist Ergebnis vielfältigen Erfahrungslernens. Es geht gar nicht, sich nichts zu merken, sagt die Gehirnforschung. Besonders fruchtbar ist das Lernen dort, wo es spielerische Kreativität, Ruhe und ungeteilte Aufmerksamkeit vorfindet. Dass den beteiligten Mitmenschen (z. B. den Erwachsenen in pädagogischen Umgebungen) dabei größte Bedeutung zukommt, versteht sich von selbst. Denn ob wir etwas behalten oder vergessen, es also als merk-würdig betrachten oder nicht, hat wesentlich mit der Gefühls- und Beziehungsebene zu tun. Ist da jemand, der/die sich für mich interessiert, mein Leben teilen will und meine Bildungsgeschichte begleitet? Wo Ver- und Zutrauen zu Hause sind, dort fällt das Lernen leicht und macht Spaß.
Eine zentrale Rolle, wenn es ums Merken, Erinnern und Vergessen geht, spielt die Einstellung zum eigenen Gedächtnis. Wobei auch emotionale Färbungen zählen: Während die einen eher das Positive behalten, können sich die anderen von Negativem nicht trennen.
Ein letzter Aspekt sei diesem Fachjournal mit vielen interessanten Beiträgen aus Theorie und Praxis vorangestellt: Zum Erinnern gehört die Dankbarkeit, die gelegentlich als „das Gedächtnis des Herzens“ bezeichnet wird. Schon sprachlich unterscheiden sich Denken und Danken nur durch einen Buchstaben und der deutsche Philosoph Martin Heidegger meinte sogar: „Denken ist Danken“. Die eigene Biografie bewusst zu erleben und sie nicht als Reihe von Zufällen zu betrachten, ist Gabe und Aufgabe zugleich.
In diesem Sinn wünsche ich Ihnen in Anlehnung an ein spanisches Sprichwort „einen Sommer, der Ihnen noch den Winter wärmen möge“ … Das beste Baustellenwetter ist natürlich Matschwetter. Nichts macht unseren Baustellenkids mehr Freude, als im Regen in der Erde zu buddeln. Deswegen hat jedes Kind seine Matschkleidung. Von dem Spaß ganz zu schweigen, wenn sie am Ende des „Arbeitstages“ mit dem Gartenschlauch abgespritzt werden!“
Inhaltsverzeichnis
der Ausgabe 4/2018
Unser Thema
Erinnern und Merken trainieren Unser Gehirn als Lernzentrum
4
Denkanstöße und Merkhilfen Wo Kinder uns Erwachsenen überlegen sind
9
Gereimtes kommt immer an Persönlicher Erfahrungsbericht
10
Unsere Praxis
Kannst du dich erinnern? Das Portfolio als persönlicher Schatz
12
Gruppen-Erlebnistagebücher - Zwei Beispiele aus der Praxis
16
Gehört und gesehen Buch- und Medientipps zum Heftthema
17
Wenn alles aus dem Lot gerät Bilderbücher über Altersdemenz
18
Unsere Lebenswelt
Erinnern gegen das Vergessen Aus der Geschichte lernen
20
Einfach Mensch sein Einblicke in einen finnischen Kindergartenalltag
22
LeserInnenreise 2019 Kroatien und Bosnien-Herzegowina
24
Praxis Spotlight
Die neue Mitmach-Aktion zum Thema Draußen sein
25
Menschen im Porträt
Luise M. Sommer Gedächtnisweltmeisterin
26
Service
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