Ausgabe 5/2015
EDITORIAL
Was im Leben wirklich zählt
Mit dem, was wir in den Kindertageseinrichtungen tun, setzen wir den Anfang für das, was mit Kindern in unserer Gesellschaft geschieht. Wir sind die Brücke zwischen den Familien und der Gesellschaft und haben daher eine sehr bedeutsame Aufgabe gegenüber Kindern.
(Louise Derman-Sparks, US-amerikanische Pädagogin)
Im Kindergarten erleben Kinder täglich, dass es Werte gibt, die gutes Miteinander ermöglichen und daher im wahrsten Sinn des Wortes wertvoll sind: Sie erleben, dass unterschiedlichste Lebenswirklichkeiten und -entwürfe möglich sind. Dass Konflikte fair ausgetragen werden. Dass es wichtig ist, achtsam mit Spielsachen und anderen Menschen umzugehen. Dass ihre Meinung gehört wird. Dass es viele Sprachen und unterschiedliche Hautfarben gibt und noch vieles mehr.
Mit jeder noch so unscheinbaren pädagogischen Handlung werden auch Werte vermittelt. Doch in der Vielzahl der Alltagssituationen kann leicht übersehen werden, dass genau diese erlebten Grundwerte wie Gerechtigkeit, Gewaltfreiheit, Respekt, Toleranz, Solidarität und Gleichwertigkeit es sind, die Kinder nachhaltig auf ein verantwortliches Leben vorbereiten. Kinder orientieren sich ja nicht an einem Wertekatalog oder an Verhaltensvorschriften, sondern sie ahmen die (geliebten) Menschen um sie herum nach und orientieren sich an ihnen. Tragfähige Orientierung zu ermöglichen ist der größte Wert des Kindergartens für eine auch zukünftig demokratische Gesellschaft. Der Kindergarten ist der erste Ort in unserer Gesellschaft, an dem Familien mit vielfältigen Wertevorstellungen, die nicht selten Anlass für Konflikte sind, aufeinandertreffen. Ein transparenter Umgang mit jenen Werten, die einem pädagogischen Team wichtig sind und die meist in der Konzeption verschriftlicht vorliegen, liefert eine gute Gesprächsbasis. Vorausgesetzt, der Kindergarten interessiert sich auch für die Wertorientierungen der Eltern und Kinder …
Gerade Kinder zeigen in ihren freien Spielhandlungen und in Gesprächen, was ihnen etwas wert ist. Es sind zumeist „wert-lose“ Dinge, die für Kinder höchst „sinn-voll“ sind: Die BaumeisterInnen auf der Schachtelbaustelle in Ruprechtshofen (NÖ), die mit allerlei gesammelten Materialien in oftmals anstrengenden Aushandlungsprozessen bemerkenswerte Konstruktionen erschaffen, sind ein wunderbares Beispiel für das Werteverständnis junger Kinder. Wie sich dabei ganz nebenbei die im Bildungs- RahmenPlan beschriebenen Kompetenzen aneignen lassen, davon berichten in dieser Ausgabe mittlerweile erwachsene ehemalige „BaumeisterInnen“.
Gibt es eine pädagogische Zauberformel für eine erfolgreiche Wertevermittlung? Natürlich nicht! Der große deutsche Schriftsteller Erich Kästner (1899–1974) bringt seine Werte-Philosophie mit einem klaren Plädoyer für Zivilcourage auf den Punkt: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“ Die aktuell sichtbaren, konkreten Handlungen der Solidarität angesichts der unzähligen Flüchtlinge aus Krisengebieten zeigen, wie stark in unserem Land Zivilcourage vorhanden ist. Ich wage zu behaupten, dass auch dies die Früchte vieler kleiner Samenkörner sind, ausgestreut an jenen Orten, wo Kinder ins Leben begleitet werden.
Eine anregende Lektüre, die den Mut zu couragierten Alltagshandlungen auch weiterhin stärkt, wünscht von Herzen
Anna Kapfer-Weixelbaumer
Inhaltsverzeichnis
der Ausgabe 5/2015
Unser Thema
Was wertvoll und wichtig ist - Kindergärten als Begegnungsorte vielfältiger Wertevorstellungen
4
Vom Wert der Selbstbestimmung - Schenken wir dem eigenen Lebensrhythmus mehr Gehör!
8
"Alles, was wirklich wichtig ist, lernte ich im Kindergarten"
11
Immer schneller, immer mehr ... - Widersprechen sich Optimierung und Individualisierung im Kindergarten?
12
Kindergärten sind multikulturelle Schutz- und Lebensräume - Statements und Lebensräume
14
Unterwegs mit dem roten Mikrofon - Kinderbefragung zum Wert des Kindergartens
16
Unsere Praxis
Was wurde aus der Schachtelbaustelle? - Gibt es sie noch? Und was haben die "Kinder von damals" mitgenommen?
18
WERTvolle Spielerfahrung -
24
Jeder Tag - ist besonders
25
Unsere Lebenswelt
Kindorientierte Elementarpädagogik und der Situationsorientierte Ansatz
26
28
Menschen im Porträt
Friedrich Fröbel (1782 - 1852) - Ein Brief an den großen Pädagogen und Begründer des Kindergartens
30
Service
Für Sie - Bücher im Kombi-Angebot36
Bücher ... für Sie ausgewählt 37
Plattform 42