Ausgabe 1/2017
EDITORIAL
Wie gelingt Bildung am Übergang?
„Wenn die Grundmauern nicht gut gelegt sind, kann das darauf errichtete Gebäude nicht sicher und fest stehen“, meinte einst der Philosoph und Pädagoge Johann Comenius (1592–1670). Aus historischen Gründen haben sich in Österreich Kindergarten und Schule als zwei voneinander weitgehend unabhängige Systeme entwickelt, was die durchgängige Bildung über die Institutionsgrenzen hinweg erschwert. Damit aber Kinder ihre bereits erworbenen Kompetenzen, Lernstrategien und ihr Wissen am Übergang in die Schule optimal nützen können, bedarf es respektvoller Kooperationen aller Beteiligten.
Vor diesem Hintergrund entwickelte die Bundesregierung Reforminitiativen, die das letzte Kindergartenjahr und die ersten beiden Volksschuljahre als „Gemeinsame Schuleingangsphase“ verbinden.
Derzeit gibt es dazu allerdings noch manche Unsicherheiten, Fragen und unterschiedliche Bilder.
- Reichen die vielen bereits bestehenden Kooperationsaktivitäten aus, um pädagogisch- didaktische Unterschiede und gewachsene Strukturen zu überbrücken?
- Was gehört zu guter Schulvorbereitung und welches Ziel verfolgt sie?
Diese Frage ist für Eltern, ElementarpädagogInnen und LehrerInnen am Übergang zur Schule stets aktuell. Ein modernes Bildungsverständnis betrachtet Schulvorbereitung nicht allein als Vorbereitung auf die Schule, sondern als umfassende, ganzheitliche Entwicklungsbegleitung, die Kinder für das Hier und Jetzt stärkt. Darüber hinaus geht es auch um den Erwerb von Kompetenzen, „um sich später in der Schule oder im Leben aktiv zu beteiligen, selbstständig und in Interaktion mit andern zu lernen, Verantwortung übernehmen zu können und mit Wandel und Veränderung umzugehen.“
(Anna Spindler, Qualifizierte Schulvorbereitung, 2014)
Eine weitere Herausforderung ist die Gestaltung anschlussfähiger Bildungsprozesse. In Familie und Kindergarten erwerben Kinder bereits einen großen Erfahrungsschatz. Über diese individuellen Wege frühkindlichen Lernens gibt das „Entwicklungs- und Übergangsportfolio“, das vielerorts bereits zur gelebten Praxis gehört, Auskunft.
Schulisches Lernen kann dort anknüpfen, aufbauen und weiterentwickeln. Freilich machen solche Dokumentationen nur einen kleinen Ausschnitt der Persönlichkeit des Kindes und seiner Potenziale sichtbar und auch die Grenzen der Bildungsdokumentation am Übergang sind zu thematisieren.
Der gemeinsame Bildungsraum Kindergarten und Schule ist zugleich ein Meilenstein und ein Langzeit-Projekt in der österreichischen Geschichte der Elementar- und Primarpädagogik. Möge diese Schwerpunktausgabe des Fachjournals von möglichst vielen KindergartenpädagogInnen und LehrerInnen gelesen werden und die Auseinandersetzung mit dem Thema, eine gemeinsame Sprache, mehr gegenseitiges Verständnis sowie den Dialog aller Beteiligten fördern!
Jetzt geht’s los – für unsere Kinder!
Ihre Anna Kapfer-Weixlbaumer
Inhaltsverzeichnis
der Ausgabe 1/2017
Unser Thema
Die neue gemeinsame Schuleingangsphase Mehr als eine Kooperation zwischen Kindergarten und Schule
4
Der gemeinsame Bildungsraum steht offen - Bitte treten Sie beherzt ein!
9
Lerndispositionen - Individuelle Bildungsbegleitung
13
Unsere Praxis
Voneinander lernen - Eine gemeinsame Lernwerkstatt von Kindergarten und Volksschule
14
Schriftliche Bildungs- & Arbeitsdokumentation (BADOK)
Das Übergangsportfolio - Hilfreiches Instrument zur Förderung der Dialogkultur
19
Die Schule ist zum Lernen da!? - Wie wir Eltern den Schuleintritt der Kinder erleben ...
22
Arbeiten Sie schon ko-konstruktiv? - Checkliste
23
Unsere Lebenswelt
Wie viel Mathematik steckt in Kastanien? - Ein Projekt am Übergang
24
Die Philosophie des Anfang(en)s - Ein Lehrgang in Tirol widmet sich der "Kultur des Lernens"
26
Menschen im Porträt
Luise Hollerer - Entwicklungspsychologin
28
Service
Für Sie - "Schulfähig" - Themenkarten32
Bücher ... für Sie ausgewählt33
Plattform 38
Literaturlisten
Mag. Prof. Elisabeth Reicher-Pirchegger