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Digital ist normal ...

... und längst im Kindergarten angekommen

 

UKI_1_2022_Artikel

"Warum soll ich mit digitalen Medien und Spielen im Kindergarten arbeiten? Bin ich dazu fit genug? Und wenn ja, womit beginne ich? Wer hilft mir weiter? Was werden die Eltern der mir anvertrauten Kinder sagen?“

Solche und ähnliche Fragen habe ich mir gestellt, als ich spürte, dass das Thema der digitalen Medienbildung den Bildungsort Kindergarten erreicht hat. Mittlerweile sehe ich in der digitalen Medienbildung eine neue pädagogische Herausforderung. Es ist mir nicht mehr möglich, die Medienerfahrungen, die die Kinder aus ihrer Lebenswelt in den Kindergarten mitbringen, unbeantwortet zu lassen. Digitale Kompetenz gilt heute ebenso wie Rechnen, Lesen und Schreiben als Kulturtechnik, mit der Kinder und Erwachsene einen verantwortungsvollen Umgang erlernen müssen.

Auch nach vierzig Arbeitsjahren bin ich immer noch offen für neue pädagogische Inhalte, bin interessiert und neugierig beim Erkunden, vorsichtig im Abwägen und kritisch beim Erproben. Die „kritisch-optimistische Haltung“ (Charlotte Bühler Institut 2020) halte ich im Allgemeinen für sehr nützlich, speziell aber im Bereich der digitalen Medienbildung.

Zu Beginn hatte ich großen Respekt vor der Arbeit mit den mir noch fremden technischen Geräten und viele Bedenken, ob ich überhaupt damit umgehen könnte. Während der Anfangszeit war es hilfreich, technische Unterstützung zu organisieren – in meinem Fall waren es die eigenen Kinder mit ihrer unvoreingenommenen Herangehensweise an digitales Neuland. Überall wird es in den Teams, unter den Eltern der Kinder, unter Studierenden oder in der eigenen Verwandtschaft Personen geben, die im Bedarfsfall weiterhelfen können.

Annäherung ans Thema und Grundausstattung

Der erste Schritt war in meinem Fall die Beobachtung der Kinder. Ich fragte mich: Sind die neuen Technologien (wobei diese in Wahrheit schon längst nicht mehr „neu“ sind) tatsächlich ein Thema, das sie bewegt? Wie schaut ihre Lebenswelt in Bezug auf digitale Medien aus?

Ein weiterer Schritt war die fachliche Auseinandersetzung und hier kann ich die kürzlich erschienene „Handreichung zur elementaren Medienbildung im elementaren Bildungsbereich“ (CBI, 2020) empfehlen. Auch Fachbücher und Fortbildungen erleichtern einen theoretisch und praktisch fundierten Einstieg in die digitale Medienerziehung – oder wie in meinem Fall die Ausbildung „MedienSpiel- Pädagogik“ an der Donau-Uni Krems.

Als nächstes stellte sich die Frage nach der Auswahl digitaler Geräte. Ein wichtiges Kriterium sind Möglichkeiten, damit vielfältig, kreativ und möglichst selbst tätig werden zu können. Nach meiner Erfahrung bilden ein Tablet, ein digitales Mikroskop, ein Selfiedrucker und BeeBots eine Art Basisausstattung. Ergänzend erweist sich ein Mini-Beamer als wertvolle Unterstützung, weil er die Präsentation pädagogischer Impulse sehr erleichtert. Eine Dokumentenkamera ermöglicht auf einfache Weise, Zeichnungen, Bilder aus einem Bilderbuch oder Gegenstände an die Wand zu projizieren.

Ein Beispiel aus der Praxis

Digitale Werkzeuge ermöglichen vielfältige und bereichernde Erfahrungen, wie folgendes Erlebnis zeigt: Am sogenannten „Erdeplatz“ hinter dem Haus wurde wieder einmal mit Leidenschaft gegraben und nach Schätzen gesucht.

Diesmal war der „Schatz“ ein langer Regenwurm. Die Frage der Kinder „Heiraten Regenwürmer auch?“ wurde vorerst analog mithilfe eines Lexikons und einem speziellen Regenwurmbuchs sachrichtig beantwortet. Die Lust, die Tiere genauer zu beobachten, konnte mittels des an einen Laptop angeschlossen digitalen Mikroskops befriedigt werden. Die Kinder entdeckten zahlreiche Details, die im Sachbuch erwähnt worden waren. So vertieften und erweiterten sie durch eigene Entdeckungen ihr Wissen. Die Kombination von Sinneserfahrungen, Forschen, analoger und digitaler Antwortsuche macht auf vielfältige Weise kompetent. Es geht dabei nicht um eine Sonderstellung der digitalen Werkzeuge (Mikroskop und Laptop), sondern um die Erfahrung, dass sie als nützliche und interessante Instrumente einen Forschungsprozess sinnvoll unterstützen.

Solche Projekte fördern den fachkundigen Umgang mit analogen und digitalen Werkzeugen, führen zu kritischen Fragen („Könnte der Einsatz des Mikroskops dem Tier schaden?“) und ermöglichen ein besonderes Staunen.

Natürlich ist digitale Medienbildung anfangs auch ohne digitale Geräte („unplugged“) möglich, etwa wenn es darum geht, Medienerfahrungen über TV-Lieblingssendungen auszutauschen oder beim Fotografieren in der Gruppe das Recht auf das eigene Bild zu erörtern. Oft setzen die Kinder ihre Medienerfahrungen auch „unplugged“ im Spiel um. So wurden Tablets aus Papier gebastelt, mit Plastilin Papas Handy geformt oder Mamas Laptop nachgebaut.

In meiner Praxis hat sich gezeigt, wie wichtig es beim Umgang mit digitalen Geräten ist, diesen einen unaufgeregten Stellenwert in der Lebenswelt Kindergarten zu geben. Wie bei allen anderen Spielgaben wird der Umgang gut eingeführt und ist an gemeinsam vereinbarte Regeln gebunden. Ist dies gelungen, dann erlebe ich, dass die Kinder damit ganz selbstverständlich und dennoch achtsam umgehen. Es ist für sie normal, dass es neben Konstruktionsspielen, Kreativmaterial und Rollenspielutensilien auch digitale Geräte gibt, die Spielprozesse erweitern und spannende Erfahrungsmöglichkeiten bieten.

Erfahrungen und Wünsche

An einem Morgen holten sich zwei Mädchen Tücher und begannen zu tanzen. Sie wünschten sich von mir Arielle-Musik. Mithilfe einer Boom-Box und meiner Handy- Mediathek konnte ich den Wunsch erfüllen. „Schön wäre es, ganz echt in Arielles Welt zu sein!“, meinten die Mädchen und bekamen von mir die Anregung, die „Arielle- Welt“ auf großes Papier zu zeichnen. Anschließend könnte ich sie mit dem Beamer ganz groß werden lassen. Dieses Angebot war auch für andere Kinder eine Einladung, ihre Welt zu zeichnen: den Dschungel, die „Trallala – ganz verrückte – Welt“ und anderes. Mittels Minibeamer und Dokumentenkamera projizierten wir unmittelbar danach die Zeichnungen der Kinder ohne mühsames Scannen und ohne Software wie Powerpoint an die Wand. Die Kinder waren fasziniert und konnten nun tatsächlich in ihre Welt, begleitet von der entsprechenden Filmmusik, eintauchen.

Fantasie, Kreativität, Rhythmus, Teamgeist, bildnerisches Gestalten und musikalisches Empfinden umgab die Kinder an diesem Vormittag. Vor allem aber das Gefühl, in den eigenen Bedürfnissen ernst genommen zu werden. Mit Sicherheit ließen all diese vielfältigen Elemente die Kinder kompetenter werden.

Zum Abschluss möchte ich alle KollegInnen im Folgenden bestärken:

  • Seien Sie mutig! Neues beinhaltet immer eine Herausforderung
  • Zeigen Sie Selbstvertrauen! Schritt für Schritt lässt sich vieles umsetzen
  • Lassen Sie Freude zu! (die Möglichkeiten der digitalen Werkzeuge sind spannend und vielfältig)

 

 

Bildnachweis: darko64/adobe.stock.com

Regina Romanek, MA

Jahrgang 1963. Ausbildung in Wien-Kenyongasse, mehrere Zusatzausbildungen. Tätig als Elementarpädagogin und Koordinatorin bei der Bildungsgemeinschaft St. Marien, 1060 Wien; Lehrende an: BAfEP Wien-7., KPH, PH und Donau-Uni Krems.


 

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