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Frischluft für aufgeheizte Gemüter

Von der Selbstregulation zur Co-Regulation

 

UKI_2_2022_Artikel

PädagogInnen arbeiten in einem Beziehungs- und Interaktionsberuf, in dem Emotionen eine große Rolle spielen. Dauernd ist man mit (teils heftigen) Gefühlen der Kinder konfrontiert und in Verbindung mit vielen anderen Reizen machen sich oft gemischte Gefühle breit.

Wer Kinder unterstützen will, ihre Gefühle zu regulieren, muss zunächst die eigenen Emotionen steuern. Je mehr es uns gelingt, auf emotionale Herausforderungen besonnen und überlegt zu reagieren, umso wahrscheinlicher wird es, die Situation konstruktiv und gewaltfrei zu meistern. Solche Erfahrungen stärken das pädagogische Selbstbewusstsein und die Zufriedenheit der Fachkräfte. (Vgl. Vogel, 2020)

In belastenden Situationen ist unser Fokus spontan beim Kind und bei seinem Verhalten, das wir ändern möchten. Wir versuchen, auf das Kind einzuwirken. (Vgl. Harms 2008) Viel wichtiger wäre jedoch, den eigenen Körper und eigene Gefühlsexplosionen wahrzunehmen. Kindern bei der Regulation von starken Gefühlen beizustehen gelingt uns Erwachsenen nur so gut, wie wir selbst mit uns verbunden sind. Nicht „Außer-sich- Sein“ sondern „In-sich-Sein“ ist angesagt! Stress, Hektik, Ärger, Ohnmacht, Wut, Belastung werfen uns aus der Bahn. Wir verlieren die Verbindung zu uns und sind nicht mehr geerdet. Kinder reagieren auf unsere körperlichen, nonverbalen Signale, die wir in einem solchen unverbundenen Zustand aussenden. Sie können in uns zu wenig Halt finden, erleben sich halt-los und geraten dadurch noch mehr außer sich. Bei Beziehung und Dialog geht es nicht nur um psychisch-emotionale Aspekte, sondern auch um eine körperliche Dimension, die achtsam wahrgenommen werden muss.

Emotionsregulation und Vorbildwirkung

Selbstregulation, also die Steuerung eigener Emotionen, ist in emotional belastenden Situationen der erste Schritt. In ihrem empfehlenswerten Buch „Gemeinsam durch die Wut“ schreibt die deutsche Pädagogin Kathrin Hohmann: „Kinder sind auf einfühlsame Erwachsene angewiesen, die ihnen bei der Regulation ihrer Gefühle helfen, bis sie irgendwann selbst dazu in der Lage sind. Wir können aber nur co-regulieren, wenn wir selbst fähig sind, unsere Impulse, Handlungen, eigenen Erregungen und Gefühle zu steuern.“

Dies bedeutet zuerst auf den eigenen Körper hören, sich selbst beruhigen, sich erden, um wieder mit sich in Verbindung zu kommen. Dreimal tief durchzuatmen oder eine „paradoxe Intervention“ zu setzen, wird hilfreicher sein als die ganze Konzentration nur auf das Kind zu richten: „Ich mach mal kurz das Fenster auf, damit unser Ärger frische Luft bekommt“. Oder: „Oh, hier ist dicke Luft – Fenster auf und durchatmen!“ Maria Montessori setzte in angespannten Situationen auf das Innehalten und die Verlangsamung. Beispielsweise riet sie PädagogInnen, am Rechenschieber in Gedanken eine Perle von rechts nach links zu schieben, bevor sie die Kinder unterbrechen.

Erleben Kinder täglich, wie PädagogInnen am Rand ihrer Geduld die Fassung verlieren, vielleicht sogar jemanden wegzerren oder ausgrenzen, anschreien oder Drohungen aussprechen („Wenn du ..., dann …”), so beginnen sie das Verhalten nachzuahmen und werden mit der Zeit die Achtung vor der handelnden Person verlieren. (Vgl. Vogel 2020) Menschen lernen am Vorbild! Erleben Kinder hingegen überlegte, nachdenkliche, geduldige, zuhörende, kreative und zur Beteiligung einladende Erwachsene, dann werden sie von ihnen lernen, wie man gewaltfrei und konstruktiv mit emotional schwierigen Situationen umgeht.

PädagogInnen, die sich in emotional aufgeladenen Situationen selbst beruhigen können, entschärfen bereits damit die Angelegenheit. Körperwahrnehmung und Verbundenheit mit sich selbst beeinflussen das Gruppengeschehen massiv. Die Grundlage dafür ist die Bewusstheit über das eigene Sein in der Gruppe (in UNSERE KINDER 4/2021 als „pädagogische Basisarbeit“ bezeichnet). Wer bei sich und mit sich verbunden ist, trägt dazu bei, dass auch die Kinder in der Gruppe gut bei sich und gut mit den anderen sein können.

 

 

Bildnachweis: Ladanifer/shutterstock.com

Anna Kapfer-Weixlbaumer, MA

Jahrgang 1962. (Sonder-)Kindergartenpädagogin, 17 Jahre in oö. Kindergärten tätig, Studium Psychomotorik, mehrere Auslandsaufenthalte, Lehr- und Fortbildungstätigkeit, seit 2013 Fachredakteurin bei UNSERE KINDER.


 

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