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Offen und ehrlich

Schritte zu besserer Kommunikation

 

UKI_1_2023_Artikel

Auch im elementarpädagogischen Berufsfeld prägt die Art und Weise, wie wir kommunizieren, das Klima und sorgt entweder für Wohlgefühl und Entwicklung oder für Unzufriedenheit und Stillstand.

Anfangs ist das Engagement für die Arbeit mit den Kindern ein starker Motor, doch mit der Zeit werden in der alltäglichen Zusammenarbeit auch negative Spannungen spürbar. Konflikte, Missverständnisse und raue Töne bringen den konstruktiven Austausch zum Erliegen. Der gestörte Informationsfluss wird als anstrengend erlebt, Frust macht sich breit und die Lust auf Kommunikation verebbt. Ab nun wird geschwiegen oder über Unzufriedenheit hinter vorgehaltener Hand geredet. Vermeidung, verborgene oder auch offene Aggressivität, eine brodelnde Gerüchteküche und Frust sind an der Tagesordnung.

Eine Pädagogin beschrieb ein solches Klima mit dem Satz: „Es begegneten mir Masken und das Fehlen von Herzlichkeit und Freude demotivierte mich Tag für Tag. Ich spürte ein Gefühlskarussell von Irritation, Unwohlsein, Unsicherheit, Ärger, Wut und Ohnmacht.“

Wie erleben Sie in Ihrer Einrichtung die Kommunikation und Zusammenarbeit? In meiner Tätigkeit als Supervisorin begleite ich immer wieder Teams, die den Wunsch nach Offenheit, Ehrlichkeit und Vertrauen im Team formulieren. Die Sehnsucht danach ist groß, denn PädagogInnen, AssistentInnen, BetreuerInnen und LeiterInnen erleben vor allem das Unausgesprochene als Belastung. Durch „spannungsgeladenes Herumgerede“ oder „verallgemeinerndes Gejammer“ entsteht ein Klima des Misstrauens und Verbergens. Wie durch dichten Nebel ist die Kommunikation erschwert und immer wieder ist von einer Negativ-Spirale in der Zusammenarbeit die Rede. Folgende Situationen verdeutlichen eine unbefriedigende und angespannte Atmosphäre:

Teambesprechung: In zehn Minuten beginnt die monatliche Teambesprechung im Kindergarten. Die Vorfreude darauf und Begeisterung dafür sind begrenzt. Manche KollegInnen halten den Termin für unnötig, da sich ohnehin immer nur dieselben Personen zu Wort melden und die meisten am Ende unzufrieden sind. Andere gehen mit mulmigem Gefühl zu diesem Treffen, da es regelmäßig zu angespannten Situationen kommt, in denen entweder „eisern geschwiegen“ wird oder sehr emotionale Auseinandersetzungen geführt werden. Auch langwierige Konfliktgespräche über gruppenübergreifende Feste oder Projekte krallen sich an Details fest („Welche Brotsorte soll für das Buffet bestellt werden?“). Aussagen wie „Ich bin froh, wenn die Sitzung vorbei ist. Die liegt mir wieder im Magen“, machen deutlich, wie belastend nicht gelungene Kommunikation im Team sein kann.

Kindergartenalltag: Die Motivation, in Krippe, Kindergarten oder Hort zu arbeiten, sinkt von Tag zu Tag. Ist die anfängliche Freude versiegt? Manche Fachkräfte haben das Gefühl, dass kein Tag vergeht, an dem nicht in bestimmten Situationen oder mit den KollegInnen persönlicher Ärger aufkommt. Beispiele aus der Praxis wären: trotz vorheriger Vereinbarung nicht erledigte Arbeiten; zur reibungslosen Zusammenarbeit wichtige Informationen, die nicht zu allen durchgedrungen sind; verhärtete Positionen durch Missverständnisse, die böse Blicke oder das Ignorieren von Personen nach sich ziehen. Kennen Sie diese oder ähnliche Situationen und Stimmungen in Ihrer Einrichtung?

Bei den beschriebenen Situationen besteht die Gefahr, dass jegliche Freude an der Arbeit schwindet, Schweigen vorherrscht und andere destruktive Kommunikationsformen verstärkt angewandt werden. In einem so angespannten Klima sind Kränkungen an der Tagesordnung und das Vertrauen geht verloren, was konstruktive Kommunikation massiv erschwert. In allen zwischenmenschlichen Beziehungen bedingen Ehrlichkeit, Offenheit und Vertrauen einander. Jede/r sollte unbeschwert in Gespräche gehen und offen sein können, ohne verurteilt zu werden. Wo es zu große Ängste vor Zurückweisung gibt, dort wird es für die einzelne Person schier unmöglich, Themen in die Gruppe einzubringen oder jemanden direkt anzusprechen. Am Beginn einer supervisorischen Bearbeitung fällt es einzelnen oft schwer, den „Sand im Getriebe“ konkret zu benennen oder Anliegen klar anzusprechen.

Wege zu Offenheit und Ehrlichkeit in der Kommunikation

Folgende Gedanken und Methoden möchte ich als gangbaren Weg für eine offene und ehrliche Kommunikation vorstellen. Als Teil eines Teams, als Supervisorin und Mediatorin durfte ich selbst schon oft positive Entwicklungen mitgestalten und miterleben. Ich erlebte Personen und Teams (mich selbst eingeschlossen), die gemainsam gewachsen sind.  

Authentizität – Selbstakzeptanz als Fundament

Authentizität setzt voraus, dass sich die Person in ihrem Sein selbst annimmt. Sie kann eigene Stärken und Schwächen akzeptieren, was sie „ohne Verbergungs- oder Täuschungsstrategie“ anderen begegnen lässt. Authentische Menschen sind sich ihrer Gedanken, Emotionen, Bedürfnisse, Werte und Überzeugungen bewusst, können diese entsprechend ausdrücken und handeln danach. Sie zeigen in sozialen Beziehungen ihr wahres Selbst offen und kommunizieren echt bzw. kongruent. Würde ich mich als authentische Person bezeichnen? Was verhindert in bestimmten Situationen oder bei bestimmten Personen meine Authentizität?

Offenheit – Sich öffnen und zuhören

Die Methode der „Gewaltfreien Kommunikation“ (GFK) des amerikanischen Psychologen Marshall B. Rosenberg (1934–2015) ermöglicht die Sensibilisierung auf Gewaltaspekte in der Sprache, die oft unbemerkt bleiben. GFK kann oberflächlich auch als Prozess der Kommunikation oder Sprache der Einfühlsamkeit benannt werden. Die GFK verlangt einerseits sich ehrlich auszudrücken, andererseits mithilfe folgender vier Komponenten empathisch zuzuhören:

Beobachtungen: Konkrete Handlungen, die wir beobachten können und die unser Wohlbefinden beeinträchtigen;

Gefühle: Wie wir uns fühlen, in Verbindung mit dem, was wir beobachten;

Bedürfnisse: Unsere Werte, Wünsche etc., aus denen Gefühle entstehen;

Bitten: Was konkret möchten wir erbitten, damit unser aller Leben reicher wird. (Vgl. Rosenberg, 2010)

Bei der GFK geht es um die Fähigkeiten, Gefühle wahrzunehmen und auszudrücken, Verantwortung für die eigenen Gefühle zu übernehmen, darum zu bitten, was unser Leben bereichert, empathisch und einfühlsam zu sein. Kurz gesagt: Wir drücken anderen und uns selbst Wertschätzung und Anerkennung aus. Gelingt es mir, mich zu öffnen und offen gegenüber anderen zu sein? Wie fühlt sich aktives Zuhören, Respekt und Empathie an?

Ehrlichkeit – Selektive Authentizität

Die deutsche Psychoanalytikerin Ruth Cohn (1912–2010) verwies mit der „Themenzentrierten Interaktion“ (TZI) auf die Bedeutung der für gelungene Gespräche wesentlichen Merkmale Eigenverantwortlichkeit, Wertschätzung und Authentizität. Folgende Regeln sind hilfreich:

• Vertritt dich selbst in deinen Aussagen. Sprich per „Ich“ und nicht per „Wir“.

• Wenn du eine Frage stellst, sage, warum du fragst und was deine Frage für dich bedeutet. Sage dich selbst aus und vermeide das Interview.

• Sei authentisch und selektiv in deinen Kommunikationen. Mache dir bewusst, was du denkst und fühlst. Wähle, was du sagst und tust.

• Halte dich mit Interpretationen zurück. Sprich stattdessen deine persönlichen Reaktionen aus.

• Vermeide Verallgemeinerungen.

• Wenn du etwas über das Benehmen oder die Charakteristik anderer Personen sagst, sage auch, was es dir bedeutet, dass sie so sind, wie du sie wahrnimmst.

• Seitengespräche haben Vorrang. Sie stören und sind meistens wichtig. Sie würden nicht geschehen, wenn sie nicht wichtig wären.

• Wenn mehrere gleichzeitig sprechen wollen, verständigt euch in Stichworten, worüber ihr zu sprechen beabsichtigt. (Vgl. Cohn, 2000). Besonders wichtig ist in der TZI der von Ruth Cohn geprägte Begriff der „selektiven Authentizität“. Dabei wird darauf geachtet, dass zu große Ehrlichkeit nicht zur „rücksichtslosen Offenheit“ wird. Stets sollte man eigene Emotionen, Motivationen und Gedanken so aussprechen, dass sie beim Gegenüber ankommen können. Wie erlebe ich mich und andere in der Kommunikation? Werden die genannten Hilfsregeln gelebt? Auf dem Weg zu verbesserter Kommunikation braucht es die Arbeit an der eigenen Person und die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit anderen, um offen und ehrlich mehr Vertrauen aufzubauen. So werden wir im beruflichen Kontext der Elementarpädagogik wertschätzend und respektvoll gemeinsam wachsen. Konstruktive Kommunikation können wir dann als Kraft und Ressource nutzen.

 

 

Bildnachweis: istockphoto.com/KatarzynaBialasiewicz

Mag.a Susanne Ristl

Jahrgang 1968. Kindergartenpädagogin; Studium der Pädagogik in Kombination mit Psychologie. Lehrende an Ausbildungseinrichtungen der Elementarpädagogik in Wien. Mediatorin, Supervisorin, Lebens- und Sozialberaterin. Infos/Kontakt: www.susanne-ristl.at


 

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