Stark durch Bewegung
Bewegung ist ein essenzieller Bestandteil der kindlichen Entwicklung. Aber welche Bedeutung hat die Bewegungsentwicklung für die Resilienzförderung? Neben den zentralen Aspekten des Bewegungsspiels und der Persönlichkeitsentwicklung wird besonders auf die positiven Effekte psychomotorischer Einheiten zur Resilienzförderung eingegangen, die durch praxisnahe Beispiele veranschaulicht werden.
Die ersten Lebensjahre sind von einer rasanten und umfassenden Entwicklung geprägt, in denen Bewegung eine zentrale Rolle spielt. Sie ist essenziell für die körperliche, motorische, kognitive und psychosoziale Entwicklung von Kindern (Hunger, Zimmer, 2024). Daher brauchen Kinder im Alltag genügend Bewegungserfahrungen. Studien belegen, dass ein Mangel an Bewegung zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie Haltungsschwächen und Übergewicht führen kann. Daher empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Kinder unter fünf Jahren täglich 60–180 Minuten spontane, altersgerechte Bewegung.
Bewegung kann als Impuls für die körperliche Entwicklung gesehen werden. Kinder sind ständig in Bewegung – sei es zu Hause, unterwegs, beim Spielen, Nachdenken oder vor dem Schlafengehen (Zimmer, 2020). Neben spontanen Aktivitäten wie Laufen, Klettern oder Springen, tragen koordinative Bewegungsabläufe, beispielsweise das Spielen mit einem Ball, zur Steigerung motorischer Fähigkeiten bei. Die intermittierende Belastung trainiert die Ausdauer und verbessert die körperliche Belastbarkeit. Weiters hat Bewegung einen positiven Einfluss auf die kognitive Entwicklung. Begriffe wie Schwerkraft, Schwung, Gleichgewicht usw. können nur in Verbindung mit dem eigenen Tun erlebt werden, z.B. beim Schaukeln, Rutschen und Balancieren. Kinder lernen physikalische Eigenschaften eines Objekts durch Berührung, Bewegung und Manipulation kennen. Dieses aktive Erleben unterstützt die kognitive Verarbeitung, indem Informationen durch wiederholte Interaktionen gespeichert und verknüpft werden.
Bewegung fordert Kinder nicht nur physisch, sondern auch psychisch und sozial. Sie müssen sich Herausforderungen stellen, eigene Grenzen austesten und Risiken eingehen. Solche Erfahrungen tragen zur Entwicklung von Selbstvertrauen und Selbstsicherheit bei. Soziale Interaktionen in Bewegungssituationen, etwa Kooperation oder Wettbewerb, bieten Gelegenheiten, soziale Kompetenzen zu erlernen. Dieses Zusammenspiel von Bewegung und Psyche betont die Psychomotorik und ist sowohl ein pädagogisches als auch ein therapeutisches Konzept zur Entwicklungsförderung. Sie unterstützt die Persönlichkeitsentwicklung durch Bewegungserfahrungen und adressiert motorische Schwächen sowie Herausforderungen in der Selbst- und Umweltwahrnehmung (Voss, 2021).
Bewegungsspiele in der Psychomotorik
Bewegung im Sinne der Psychomotorik bedeutet mehr als körperliche Aktivität. Bei Bewegungshandlungen sind zahlreiche Persönlichkeitsaspekte beteiligt, greifen ineinander und können die Entwicklung des Kindes im positiven sowie im negativen Sinne beeinflussen. Perres (2014) und auch Möllers (2023) sprechen von der hohen Bedeutung des Bewegungsspiels. Kinder haben während des Spiels die Kontrolle über den Verlauf und können darin gefahrlos ihre Welt gestalten.
Pädagogische Fachkräfte müssen über Feingefühl und Wissen zur kindlichen Entwicklung verfügen und Vertrauen in die Selbstgestaltungskraft der Kinder haben. Sie bieten Entwicklungsanreize und eine vorbereitete Umgebung, in der Kinder sich ausprobieren und Erfahrungen sammeln können. Das freie Spiel ermöglicht es Kindern, aus ihrem inneren Reichtum zu schöpfen und Wirklichkeit zu spüren, was die intensivste Form des Erfahrens darstellt.
Resilienz und Psychomotorik
Resilienz ist kein angeborenes Persönlichkeitsmerkmal, sondern wird durch die Interaktion zwischen Kind und Umwelt im Laufe der Entwicklung erworben. Wustmann versteht unter Resilienz die psychische Widerstandsfähigkeit von Kindern gegenüber biologischen, psychologischen und psychosozialen Entwicklungsrisiken (2004). Ein resilienter Mensch entwickelt sich trotz schwieriger Umweltbedingungen psychisch stark. Selbstwirksamkeitserfahrungen sind ein wesentlicher Schutzfaktor, da sie Kindern helfen, Probleme zu lösen und nicht in Hilflosigkeit zu verharren (Möllers, 2023).
Die Resilienzforschung unterscheidet zwischen Risiko- und Schutzfaktoren. Risikofaktoren, wie niedriger sozioökonomischer Status oder chronische Armut, erhöhen die Entwicklungsgefährdung (Wustmann, 2004). Schutzfaktoren hingegen verringern das Risiko psychischer Störungen und lassen sich personalen, sozialen und umfeldbezogenen Ressourcen zuordnen, wie etwa Selbstwertgefühl, stabile Bezugspersonen oder positive Freundschaften (Möllers, 2023).
Das psychomotorische Konzept betont den Zusammenhang von Wahrnehmen, Erleben, Erfahren und Handeln. Bewegungshandlungen sind Ausdruck körperlicher und seelischer Prozesse. Ziel ist die Förderung der Gesamtpersönlichkeit des Kindes durch erlebnisorientierte Bewegungsmöglichkeiten. Dies stärkt das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und ermöglicht die Bearbeitung motorischer Schwächen durch die Auseinandersetzung mit sich selbst und der Umwelt (Wiesmeyr, 2021).
Resilienz durch psychomotorische Übungen stärken (Möllers, 2013; Pinter Theiss u. a., 2014)
Lauf-, Fang-, und Bewegungsspiele in der extensiven Phase ab 3–4 Jahre
Hexe / Zauberer: Ein Kind versucht andere Kinder zu verzaubern, wer erwischt wird, bleibt mit gegrätschten Beinen im Raum stehen. Wenn ein anderes Kind durchkriecht, ist es wieder erlöst.
Reifenstecher: Ein Kind ist die/der „Reifenstecher*in“, wer erwischt wird, sackt zu Boden. Jedes andere Kind kann durch fünfmal „Aufpumpen“ zu Hilfe eilen.
Seifenmonster: Ein Kind ist das Seifenmonster und wenn es ein anderes Kind erwischt, ist dieses voller Seifenschaum und muss in die Waschstation zum Abwaschen (blaue Matte in der Mitte des Raumes).
Sozialerfahrung in der Intensivphase
Geben Sie den Kindern Problemstellungen, die sie gemeinsam lösen sollen, z.B.:
Spinnennetz: Zwischen zwei Bäumen wird mit Seilen oder Wäscheschnüren eine Art „Spinnennetz“ gespannt (Knie- bis Schulterhöhe). Aufgabenstellung: „Alle Kinder sollen von einer Seite auf die andere gelangen, jedes Loch darf nur einmal benutzt werden!“ (Vereinfachung: Löcher dürfen öfters benutzt werden)
Miteinander bauen: Aufgabenstellung: „Geht in Gruppen zu viert zusammen, dann hat jede Gruppe die Aufgabe ein Haus zu bauen, in dem ihr alle vier Platz habt. Ihr könnt folgendes Material (Langbank, Reifen, Decken,…) verwenden. Dafür habt ihr 20 Minuten Zeit.“
Vertrauensspiele: Im Freien gespielt, bringen die Bodenbeschaffenheit und andere Umgebungsfaktoren zusätzliche Herausforderungen mit sich. Beispiele sind das Führen eines blinden Kindes oder einer Gruppe – an der Hand, an den Schultern, mit einem Seil oder frei. Die zentrale Aufgabe lautet: „Führe deine*n Partner*in oder die Gruppe sicher durch den Parcours."
Motorische Erfahrungsräume in der intensiven Phase
Springen und balancieren im gestalteten Raum: Einen Parcours / Stationen aufbauen mit z.B. Langbänken, Teppichfliesen, Reifen, Kästen und Matten. Aufgabenstellung: „Wir haben jetzt gemeinsam einen Parcours aufgebaut, probiert aus, wo ihr am besten springen bzw. balancieren könnt. Viel Spaß!“
Die Förderung von Resilienz in der Psychomotorik erfolgt auf zwei Ebenen. Auf individueller Ebene erleben Kinder durch partizipative Aktivitäten Selbstwirksamkeit und stärken ihr Selbstwertgefühl. Bewegung wirkt zudem entspannend und unterstützt die Persönlichkeitsentwicklung. Auf der Beziehungsebene ist die pädagogische Fachkraft entscheidend: Sie nimmt das Kind wertschätzend an, erkennt seine Fähigkeiten und fördert sein Potenzial durch Vertrauen und Unterstützung (Pinter-Theiss, u.a. 2014).
Fazit
Bewegung ist essenziell für die ganzheitliche Entwicklung von Kindern. Sie fördert körperliche Fitness, kognitive Prozesse und psychosoziale Kompetenzen. Ein bewegungsreicher Alltag unterstützt den natürlichen Explorationsdrang von Kindern und trägt zu langfristigem Wohlbefinden bei. Die Psychomotorik stellt eine wertvolle Methode dar, um die Persönlichkeitsentwicklung und Resilienz von Kindern gezielt zu fördern. Durch ihre Prinzipien der Kindorientierung und Ressourcenförderung leistet sie einen bedeutenden Beitrag zur frühkindlichen Bildung und Inklusion. Der psychomotorische Ansatz integriert Elemente des Resilienzkonzeptes und hilft Kindern, Herausforderungen selbstbewusst zu begegnen und sich optimal zu entfalten.
Bildnachweis: meadowmouse/istockphoto.com

Mag.a Doris Weiss, MA
BAKIP Linz, Lehramt für Sport und PuP, Wien. Masterstudium "Teaching English as a second language"/Mercy College NY. Berufserfahrung: BAfEP Linz (Sport und Psychologie), PHOÖ (Psychomotorik im EP-Studium), dzt. Lektorin an der PHoÖ/Bewegung und Sport
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