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Viele Ideen für Nachhaltigkeit

Den schonenden Umgang mit Ressourcen im Kindergarten (vor)leben

Das Thema Nachhaltigkeit assoziieren wir meist mit z. B. „Strom sparen“ oder „vom Auto auf das Rad umsteigen“. Auf den zweiten Blick wird hingegen deutlich, dass es sich hierbei um einen ganzheitlichen Ansatz handelt, der wesentlich tiefer reicht. Es gibt so viele Möglichkeiten, mit Kindern den Alltag umweltbewusst und nachhaltig zu gestalten!

 

Florian Esser in UNSERE KINDER 2/2019

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Im ersten Schritt haben wir uns als Kindergarten in unserem Umgang mit Natur und Umwelt kritisch hinterfragt. Dann für uns entschlossen, etwas am Status quo ändern zu wollen. Für uns stand fest, fortan einen „grünen Fußabdruck“ auf unserem Teil der Erde hinterlassen zu wollen. Wir haben uns dem Thema zunächst aus zwei Richtungen genähert und uns gefragt: „Wo handeln wir bereits umweltbewusst und ressourcenschonend?“ Dann haben wir konkret überlegt, wo wir verschwenderisch agieren. Uns ist bewusst geworden, wie oft wir immer neues Spiel- und Beschäftigungsmaterial für die Kinder bestellen oder welche Unmengen an Malpapier verbraucht werden, das häufig im Mülleimer statt in den Portfolios der Kinder landet.

Selbstgemachtes Spielmaterial!

Also haben wir nach alltagstauglichen und qualitativen Alternativen gesucht. Wir sind sehr rasch fündig geworden und haben begonnen, Spielmaterial aus wertfreiem Material herzustellen. Statt neue Plastikkegel für das Turnen zu kaufen, haben wir kurzerhand Bierdeckel und Küchenrollen zu Kegeln umfunktioniert.

Aus wertfreiem Material lassen sich unzählige Dinge erschaffen, indem man sie zweckentfremdet und einer anderen Nutzung zuführt. Wir gehen dabei immer nach dem gleichen Muster vor: analysieren – entwickeln – erproben – reflektieren – adaptieren – implementieren. Auf diese Weise sind mittlerweile viele individuelle Spielmaterialien entstanden und viel CO2 konnte gespart werden.

Im Zeitalter von Internet und neuen Medien lohnt sich, auch einmal einen Blick in Plattformen wie „Pinterest“ zu werfen, um sich Inspirationen zu holen. Der Kreativität sind praktisch keine Grenzen gesetzt und das Beste daran ist: Es macht richtig Spaß. Nachhaltigkeit erfordert keine großen Investitionen in teures Equipment – im Gegenteil, mit ihr wird neben der Umwelt auch spürbar der Geldbeutel geschont.

Kinder miteinbeziehen

Im zweiten Schritt haben wir als Team überlegt, wie wir dieses Thema an die Kinder herantragen und für sie begreifbar machen können. Denn am meisten liegt uns am Herzen, den Kindern ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit zu schaffen und bei ihren bestehenden Ressourcen anzusetzen.

Abgesehen von äußeren Faktoren wie der Lage oder der individuellen Ausstattung der elementarpädagogischen Einrichtung spielen die soziokulturellen Einflüsse und häuslichen Rahmenbedingungen des Kindes eine wesentliche Rolle.

edes Kind bringt einen anderen Background und entsprechend viel oder wenig ökologisches Vorwissen mit in den Kindergarten. Es ist Aufgabe des Kindergartens, jedem Kind einen qualitativen wie individuellen Zugang zu all seinen Bildungsthemen zu ermöglichen. Hierzu zählt auf der einen Seite das Wissen um die Verletzlichkeit der Natur und andererseits ihre immense ökologische Bedeutung für unser eigenes Leben. Den Kindern muss über alle kulturellen und ethnischen Unterschiede hinweg vermittelt werden, wie schützenswert die Welt ist, in der wir leben.

Erst durch ihr eigenes Tun und eine altersgerechte Beteiligung können die Kinder ein nachhaltiges Denken entwickeln und die Sinnhaftigkeit dessen begreifen, was wir von ihnen verlangen zu tun. Dazu braucht es in erster Linie kein akribisch beschriebenes Konzept oder aufwendig geplantes Großprojekt, sondern das Vorbild jedes einzelnen Erwachsenen.

Es muss also auch im Kindergarten Nachhaltigkeit und umweltorientierter Umgang mit Ressourcen vorgelebt werden, damit Kinder dieses Verhalten nachahmen und in ihr eigenes Handeln übergehen lassen können.

Für eine menschenwürdige Zukunft

Der gegenwärtige Zeitgeist ist beherrscht von einer Wegwerfmentalität. Im Sinne eines ressourcenschonenden und umweltbewussten Handelns gilt es eine Zeitenwende zu meistern. Wie können wir unser Verhalten ändern, um zukünftigen Generationen das Leben in einer menschenwürdigen und klimafreundlichen Welt zu ermöglichen? Dem Kindergarten als frühkindlicher Bildungseinrichtung wird hierbei eine wesentliche Verantwortung zuteil. Ob es das auf den Boden gefallene Papier ist, das wir aufheben. Ob es der Müll ist, den wir richtig trennen, der Wasserhahn, den wir nicht pausenlos laufen lassen, oder das Deckenlicht, das wir ausschalten, wenn wir einen Raum verlassen.

Energie-Detektive

Um die Kinder für eine umweltbewusste Wahrnehmung zu sensibilisieren, haben wir sie zu „Energiedetektiven“ ausgebildet. Wir haben mit ihnen besprochen, wo und wofür im Kindergarten Energie gebraucht wird. Zum Händewaschen brauchen wir z. B. Wasser, damit wir nicht frieren, läuft die Heizung, und um nicht im Dunkeln zu sitzen, brennt das Licht. Dann überlegten wir, wann wir diese Energie nicht mehr brauchen bzw. wann sie verschwendet wird. In der Folge erstellten die Kinder Hinweisschilder zur Vermeidung des unnötigen Energieverbrauchs.

Über eine längere Zeit hinweg haben wir dann mit den Kindern eingeübt, gezielt Energieverschwendung ausfindig zu machen und abzustellen. Sie lernten dabei, genau hinzusehen, wo noch ein Wasserhahn läuft, ein Licht brennt oder wo der Heizkörper läuft, obwohl das Fenster offensteht. In Zukunft können die Kinder dann alleine als Energiedetektive losziehen und unnötigen Energieverbrauch vermeiden.

Um den Kindern die Notwendigkeit von Energie zu verdeutlichen, haben wir einen „stromfreien Tag“ eingeführt, bei dem versucht wird, einen ganzen Tag lang gänzlich auf Strom zu verzichten. Es ist spannend zu beobachten, wo es Kindern leicht bzw. schwerfällt, auf etwas zu verzichten. Oft erfahren Kinder genau in diesem Prozess der vermeintlichen Entbehrung ein „Aha-Erlebnis“.

Alltägliche Dinge

Ganz einfach kann man mit den Kindern eigene Knete herstellen und die Zutaten dafür im nahegelegenen Supermarkt oder am Wochenmarkt einkaufen. Statt der Plastiktasche greift man zum Stoffbeutel oder Einkaufskorb. Im Sommer kann man mit den Kindern Brombeeren oder Holunder sammeln und diese zu Konfitüre verarbeiten. So werden die Kinder auch am Herstellungsprozess von Lebensmitteln beteiligt.

Es gibt so viele Möglichkeiten, wie wir unseren Kindern aufzeigen und vorleben können, wie sich Konsum reduzieren lässt und wie ausgediente Dinge einer neuen Nutzung zu geführt werden können. Wir müssen den Kindern mitgeben, dass ein Apfel mit einer braunen Delle immer noch gegessen werden kann, dass kaputte Griffe am Lenker eines Tretrollers wieder ersetzt werden können und dass ein ausgedienter Backofen prima zu einer „Sandküche“ umfunktioniert werden kann.

Neue Einrichtung

Das Thema Nachhaltigkeit haben wir zum Anlass genommen, um den ganzen Kindergarten hinsichtlich seiner Umweltbilanz auf den Kopf zu stellen. So haben wir in allen Waschräumen die Wasserhähne mit Tastern bestückt, die nach einem zehnsekündigen Intervall wieder ausgehen. Genauso möchten wir die Waschräume mit Bewegungsmeldern ausstatten, damit das Licht nur dann angeht, wenn es wirklich gebraucht wird. Ein weiteres Vorhaben sind Sonnenkollektoren auf dem Dach, mit denen wir unseren Energiebedarf autark decken können.

Für das Mittagessen konnten wir einen Anbieter finden, der das Essen aus regionalen Produkten und nachhaltigem Lebensmittelanbau in Bioqualität zubereitet. Desweiteren möchten wir künftig ein papierfreies Büro realisieren.

Um auch Eltern zu beteiligen, gibt es bei uns die Möglichkeit, nicht mehr gebrauchte Schuhe für eine Sammelaktion zur Wiederverwertung abzugeben. Außerdem haben wir ein Carport für Fahrräder und Kinderwägen errichten lassen, um den Eltern das klimafreundliche Bringen und Abholen ihrer Kinder zu ermöglichen. Die Eltern sollen als MultiplikatorInnen und Vorbilder für ihr eigens Kind eingebunden werden.

Fazit

Wir alle tragen Verantwortung für die klimatischen Veränderungen in unserer Welt. Oft haben kleine Veränderungen große Auswirkungen. Nachhaltigkeit im Kindergarten zu leben, ist keine Utopie, sondern ein immer wichtigeres Thema in unserer schnelllebigen Zeit. Gerade die Digitalisierung bietet uns Chancen, Prozesse anzustoßen und über den Tellerrand zu blicken. Will man Veränderungen wirklich nachhaltig umsetzen, sind eine sehr genaue Bestandsaufnahme und die anschließende Festlegung auf ein konkretes Ziel sehr wichtig.

 

Bildnachweis: pavla/shutterstock.com

Die Reckahner Reflexionen

… beruhen auf einer jahrelangen Auseinandersetzung mit dem Thema „Ethik pädagogischer Beziehungen“, die seit 2011 im kleinen ostdeutschen Ort Reckahn stattfindet. Internationale Fachleute aus Praxis, Leitung, Verwaltung, Wissenschaft, Bildungspolitik und Stiftungen beteiligen sich daran und haben die folgenden ethischen Leitlinien formuliert:

  • Kinder werden wertschätzend angesprochen und behandelt.
  • Pädagogische Fachkräfte hören Kindern und Jugendlichen zu.
  • Bei Rückmeldungen zum Lernen wird das Erreichte benannt. Auf dieser Basis werden neue Lernschritte und förderliche Unterstützung besprochen.
  • Bei Rückmeldungen zum Verhalten werden bereits gelingende Verhaltensweisen benannt. Schritte zur guten Weiterentwicklung werden vereinbart. Die dauerhafte Zugehörigkeit aller zur Gemeinschaft wird gestärkt.
  • Pädagogische Fachkräfte achten auf lnteressen, Freuden, Bedürfnisse, Nöte, Schmerzen und Kummer der Kinder. Sie berücksichtigen ihre Belange und den subjektiven Sinn ihres Verhaltens.
  • Kinder werden zu Selbstachtung und Anerkennung anderer angeleitet.

Ethisch unzulässig ist, dass pädagogische Fachkräfte Kinder diskriminierend, respektlos, demütigend, übergriffig oder unhöflich behandeln; Produkte und Leistungen von Kindern entwertend und entmutigend kommentieren; auf das Verhalten von Kindern und Jugendlichen herabsetzend, überwältigend oder ausgrenzend reagieren; verbale, tätliche oder mediale Verletzungen zwischen Kindern ignorieren.

Nähere Infos und Download: http://paedagogische-beziehungen.eu

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